Fritz Boddin

Graphik & Malerei

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Texte zur Ausstellung 1980 in Brakel, Westfalen

VORWORT



Der Maler, Graphiker und Kunsterzieher Fritz Boddin vollendete im Juli dieses Jahres das 60. Lebensjahr. Der Lions-Club Brakel nimmt dies zum Anlaß, einer breiten Öffentlichkeit das künstlerische Wirken von Fritz Boddin in einer größeren Ausstellung zugänglich zu machen. In der „Kunstausstellung Boddin“ werden Werke aus mehreren Jahrzehnten gezeigt, wodurch der Gesamtrahmen des künstlerischen Schaffens deutlich wird. Die Ausstellung umfaßt Arbeiten aus der Studienzeit (leider sind die frühen Arbeiten durch Kriegseinwirkungen verloren gegangen) sowie auftragsgebundene Arbeiten für Bücher, Zeitschriften, Fernsehreihen und „freie Werke“. Dieser Spannungsbogen des künstlerischen Wirkens erklärt sich aus den besonderen Lebensumständen des Künstlers. 1933 war Fritz Boddin 13 Jahre alt. Seine Familie geriet mit der Herrschaft des Nationalsozialismus schnell in Schwierigkeiten, da der Vater als Kunsthändler zur „neuen Kultur“ im Widerspruch stand. Eine erste Reaktion des Sohnes war, daß er mit 16 Jahren die vom damaligen Zeitgeist geprägte Schule verließ und eine künstlerische Berufsausbildung in der Druck- und Reproduktionstechnik suchte. Diese erste Gewissensentscheidung für das freie Individuum und gegen den Kollektivismus ist ein bleibendes Kennzeichen von Fritz Boddin. So führten die Erlebnisse der damaligen Zeit folgerichtig zu einer engen Bindung an kirchliche Gruppen, die auch durch den Kriegsdienst nicht unterbrochen wurde. Nach 1945 wurde die Ausbildung durch den Besuch der Kunstschule Strahn und durch das Studium an der Kunstakademie Düsseldorf (10 Semester mit dem Abschluß als Meisterschüler) fortgesetzt. Von dieser Zeit an hat Fritz Boddin durch seine Mitarbeit am Aufhau von Haus Altenberg und durch die Gestaltung vieler Zeitschriften und Bücher wesentlich das„graphische Gesicht“ – und nicht nur das – vieler katholischer Publikationen besonders im Zentralverband Katholischer Frauen Deutschlands mitgeprägt. Daneben erfolgte aber auch ein reiches Schaffen als freier Künstler. Für Verlage, für Ausstellungen und Fernsehen entstanden auftragsgebundene Arbeiten, bei denen die schon früh getroffene grundlegende Gewissensentscheidung bei den Auftraggebern zwar Auseinandersetzungen, aber immer auch Respekt auslöste. Aber Fritz Boddin ist sich immer treu geblieben: Seine Entscheidung galt und gilt dem freien Menschen. Diese Grundhaltung führte ihn dann geradezu zwangsläufig in den Bereich der Erziehung: Neben einem Lehrauftrag an der Pädagogischen Hochschule Rheinland wurden Kurse für Erzieher im Meinwerk-Institut Paderborn durchgeführt. Seit 1971 ist Fritz Boddin hauptamtlich als Kunsterzieher an der Fachschule für Sozialpädagogik und der Fachoberschule des Kreises Höxter in Bad Driburg und Brakel tätig. Hier, an der AdolphKolping-Schule Brakel, hat er ein Betätigungsfeld gefunden, wo das konsequente Eintreten für die Selbstverwirklichung des Individuums über die Ausbildung von Erziehern und Sozialpädagogen auf viele Generationen weitergegeben wird. So schließt sich der Kreis des Wirkens unseres Lionsfreundes Fritz Boddin vom Menschen über das Medium der Kunst zum Menschen! In diesem Sinne stellen wir die Ausstellung der Öffentlichkeit vor:

Dr. Hermann Lanfer
Sekretär

Dr. Ferdinand Loermann
Präsident

Erinnerung an die Studienzeit

Fritz Boddin begegnete ich zum ersten Mal 1946 in Düsseldorf in der Malschule und dann später in der Kunstakademie. Wir hatten den Krieg überstanden und waren trotz der Blessuren nun froh, mit dem Kunststudium beginnen zu dürfen. Fritz war der Ältere, er hatte bereits vor dem Krieg ein Kunststudium begonnen, somit war er auch der Erfahrenere. Er verfügte schon über Kenntnisse und Fertigkeiten, die wir erst noch erwerben wollten. So war zwischen uns nicht nur ein altersmäßiger Abstand. In seiner überlegenen Stellung war Fritz jedoch keineswegs unnahbar, sondern dem Jüngeren gegenüber aufgeschlossen. Bereitwillig, wenn auch distanziert und mit einem feinen Sinn für sprachliche Formulierungen gab er seine Kommentare. Sein Urteil war qualifiziert und deshalb geschätzt, jedoch nie verletzend. Fritz Boddin verfügte über Formen nicht nur in seinen künstlerischen Arbeiten, sondern auch im Umgang mit seinen Studienkollegen. Seine Arbeiten unterschieden sich von denen der anderen dadurch, daß sie deutlicher von der Wirklichkeit, die wir zum Modell nahmen, abwichen. Früher als die meisten von uns hatte er begriffen, daß sich Bildwirklichkeit und Naturwirklichkeit nicht entsprechen müssen. Seine kunstgeschichtlichen Kenntnisse, besonders der neueren französischen Malerei ließen ihn souverän mit Gegenständlichkeit im Bild umgehen, verhalfen seinen Arbeiten zu einem hohen Abstraktionsgrad. Der Vorrat an Bildlösungen und Bildvorstellungen, über die er verfügte, konnten dem Suchenden hilfreich werden. Darin war Fritz Boddin für uns Jüngere von Wichtigkeit. Das um so mehr, als der Leiter der Malschule akademischen Prinzipien anhing und blind war für expressive und surreale Absichten. Charakteristisch war für die Arbeiten von Fritz Boddin der durchdachte und sparsame Einsatz der Mittel. Seine Bilder waren gegenstandsunabhängiger, selbständiger und, wie ich erst später sehen konnte, selbstverständlicher.Nach dieser Selbständigkeit zugunsten einer großen Selbstverständlichkeit hat er immer gesucht. Bei aller Tendenz zur Abstraktion würde ich ihn deshalb auch nicht einen abstrakten Maler nennen wollen. Fritz Boddin geht bis heute immer vom Gesehenen aus, jedoch über der Arbeit verselbständigt sich der Vorwurf zum Bildgedanken. So lassen viele Bilder eine Gegenständlichkeit nicht beim ersten Hinsehen erkennen, obwohl sie von gegenständlicher Wirklichkeit ihren Anstoß erfuhren. Im Bildzeichen gelangt das gegenständliche Erlebnis zur Vereinfachung und Beruhigung.
Die Figur wird kühn in die Fläche verspannt, teils spartanisch diszipliniert, teils malerisch gelöst wird in Farbstrukturen von oft teppichhafter Flächigkeit die Gegenständlichkeit eingewoben, verdichtet. Bewußtsein und Kunstverstand beherrschen die Empfindung, bannen Gesehenes in Bildstrukturen. Zu der Präzisierung des Bildgedankens verhilft neben der entschiedenen Zeichnung ein gelegentlich auf Tonigkeit abgestimmtes Kolorit. Im Aquarell liebt er die impulsive Niederschrift und aggressive Farbigkeit. Die Farbfelder werden geistreich gesetzt und kunstvoll rhythmisiert. Viele Aquarelle haben die Qualität einer Iyrischen Farbmusik. In den Monotypien, Federzeichnungen und Radierungen, die aus dem letzten Jahrzehnt stammen, zeigt sich wie in den Gemälden die Tendenz nach formaler Klarheit. Jedoch werden stärker als beim Malen außergegenständliche Intentionen, gewissermaßen vorgegenständliche Erlebnisse spürbar. Angeregt von den experimentellen Möglichkeiten der Graphik tauchen Zeichen auf, in denen uralte menschliche Erfahrungen nach Ausdruck verlangen. Die Welt formt sich im erweiterten Sinne zu gleichnisartigen Bildgestalten, in denen die jenseits der Gegenständlichkeit liegenden Wahrheiten, Erlebnisse, die noch nicht durch Sachinhalte belastet sind, zur Darstellung kommen. Er gehört zu der Generation von Künstlern, die durch die Auseinandersetzung mit dem Fouvismus und Kubismus geprägt war. Selbst die Ära des Nationalsozialismus und der Krieg konnte diese entscheidende Begegnung seiner Jugendjahre nicht vergessen machen. Eine Bestätigung seiner Vorstellungen von Mensch und Werk fand er in Heinz May, Düsseldorf, und später beispielhaft in der persönlichen Begegnung mit Jacques Villon in Paris. Er ist bis heute ein Suchender geblieben, in seinem Werk zeichnen sich die Erschütterungen der Kunst dieses Jahrhunderts ab. Fritz Boddin ist für mich der sensible Maler, der distanziert urbane Charakter, der geistreiche Gesprächspartner, der anspruchsvolle Musikliebhaber und langjährige Freund.

Walter Cüppers, Neuß, 19. 8. 1980

Professor für Kunst und Werken an der Pädagogischen Hochschule Rheinland


Düsseldorf, den 27. August 1980

Lieber Herr Boddin!

„ . . . wieder ein echter Boddin! “ Ein neuer Entwurf für die Gestaltung eines Buchumschlages, eines Plakates oder einer Zeitschrift liegt vor uns. Die Aussage drückt Zufriedenheit aus – erfüllte Erwartungen. Was da wieder entstanden ist, ist neu, originell, streng und konsequent in der Ausführung der graphischen Arbeit. Ideen und Gedanken bekommen durch die Ubersetzung in Formen, Strichen, Linien und Bildern eine neue Aussagekraft. Es werden Züge sichtbar, die durch den Text vielleicht noch gar nicht so deutlich geworden sind, aber zum Ganzen hinzukommen mußten. Über 30 Jahre arbeiten Sie, lieber Herr Boddin, nun bereits mit am Schrifttum der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands, und das bedeutete auch für Sie, sich immer wieder neu auf die sich stets wandelnden Aufgaben der Frauenarbeit eines großen katholischen Verbandes einzustellen. Die vom Lions-Club Brakel initiierte Ausstellung Ihrer Werke, durch die die Vielfalt Ihrer künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten sichtbar wird, ist auch für uns eine willkommene Gelegenheit, Ihnen Dank und herzliche Glückwünsche zu sagen.

Ihre
Anneliese
Knippenkötter

Schriftleitung
DIE MITARBEITERIN

Ihre
Dr. Anneliese Lissner

Generasekretärin der kfd

Rolf Sackenheim

Und das Material der Kunst, ihr Inhalt und Stoff, ist der Künstler selbst. Was er hervorbringt und formt, ist Reflexion des Ich und Ausdruck des Ich in sich erforscht er die Welt.

Der Versuch, das nicht Sichtbare sichtbar zu machen, hilft uns, die eigene Bildlosigkeit – eine Krankheit unserer Zeit -, zu überwinden, hilft uns aus der Formlosigkeit zur Form, aus der Entscheidungslosigkeit zur Entscheidung zu kommen; läßt uns besondere, nicht beachtete Teilansichten des Lebens deutlich werden, auch – damit uns die Undeutlichkeit unseres eigenen Lebens bewußt wird.

Und die Grenze der Zeichnung? Sicher nicht das noch nie Gezeichnete, sondern das Nichtzeichenbare, das dann wieder mit anderen Mitteln auszudrücken wäre: durch die Sprache, den Reim, durch Töne, durch Musik.

Rolf Sackenheim Professor für freie Grafik an der Kunstakademie Düsseldorf